Während bei der Sequenzsuche das Augenmerk auf ähnlichen Teilelementen aus unterschiedlichen Vorschriften liegt, soll beim Vergleich alchemistischer Rezepte die gemeinsame Struktur inhaltlich zusammengehöriger Gruppen von Vorschriften aufgedeckt werden. So wird z.B. die Reinigung von Eisen in rund zwanzig, teilweise sehr unterschiedlichen Rezepten beschrieben. Ziel des Rezeptvergleichs ist es, die Grundstruktur dieser Rezeptgruppe aufzudecken und anschaulich darzustellen.
Durch die Codierung mithilfe von Sprachmodell und Ontologie wird jedes Rezept in eine einfache lineare Struktur überführt. Zum Vergleich solcher linearen Strukturen hat die Bioinformatik eine Fülle effizienter Methoden entwickelt, die z.B. beim Vergleich von Genomen zum Einsatz kommen. Schon die einfachsten dieser Methoden können mit überzeugenden Resultate auf den Vergleich alchemistischer Rezepte angewendet werden. Daneben eröffnen diese Vergleichsdiagramme die Möglichkeit, alchemistische Texte automatisch zu datieren.
Das folgende Bild zeigt das Resultat eines Rezeptvergleichs für die
Gruppe "Reinigung von Eisen". Sieht man von kryptischen Zusatzinformationen
ab, die hier nicht erläutert werden können, ist die Grundstruktur,
die all diesen Vorschriften gemein ist, mit einem Blick zu erkennen: Das
Eisen wird erhitzt und anschließend in Säfte verschiedener Pflanzen
getaucht (2.1 → 3.1). Daneben lassen sich auch Sondertraditionen wie
die Abfolge 1.1 → 2.1 (Sequenzen 4, 9 und 13) im vorliegenden Beispiel
leicht identifizieren, wo das Eisen mit Hasen- oder Ziegenblut beschmiert
und dann erhitzt (aber nicht mehr eingetaucht) wird. Wie für die Sequenzsuche
gilt auch hier: Sind die Vorschriften erst einmal katalogisiert, lassen
sich solche Vergleichsgrafiken mit einem Knopfdruck (und wenig manueller
Nacharbeit) in kürzester Zeit erstellen.